Erste Schüler-Solar-Genossenschaft gegründet

Am 8. Mai 2018 war es endlich soweit: Die Schüler der 11. Klasse am Gymnasium des Freiburger Montessori-Zentrums Angell hatten zur Gründungsversammlung der SolA(r)ngell eingeladen – der ersten Schüler-Solar-Genossenschaft überhaupt in Deutschland, in der die Schüler eine eigene und reale PV-Anlage planen, umsetzen und langfristig in der Organisationsform einer Genossenschaft betreiben.

„Wir möchten vor allem zeigen, wie einfach es ist, seinen Beitrag zum Umweltschutz zu leisten: Wir sind hier neun Schüler und Schülerinnen und gründen gerade eine Energiegenossenschaft, die Solaranlagen installieren und betreiben wird! Das zeigt doch: Jeder kann so etwas initiieren oder sich über eine Genossenschaft daran beteiligen“, beschreibt Lukas Dietsche in seinem Vortrag während der Gründungsversammlung die Motivation der Elftklässler.

Ein Semester lang haben die Jugendlichen wirtschaftliche und rechtliche Aspekte sowohl in Bezug auf den Betrieb von Solarstromanlagen als auch in Bezug auf das Genossenschaftswesen studiert. Gleichzeitig suchten sie nach Dächern und nahmen dafür Kontakte zu Gewerbebetrieben auf. Anhand einer frisch installierten Solaranlage der Freiburger Solar-Bürger-Genossenschaft eG konnten sie anschaulich die Funktionsweise und die Komponenten einer solchen Anlage kennenlernen. Der Seminarkurs Nachhaltiges Wirtschaften, der vom Unternehmensgrün e.V. durchgeführt wurde, konnte thematisch perfekt eingegliedert werden. Mit all diesem Rüstzeug erstellten sie schließlich den für die Gründung und Anmeldung zum Genossenschaftsverband erforderlichen Businessplan. Auch die Öffentlichkeitsarbeit ist beim Gründungsteam in besten Händen. So gibt es bereits auf dem YouTube-Kanal „SolA-r-ngell Genossenschaft“ ein erstes Info-Video.

Übernehmen Verantwortung: Flóra Dreher und Lukas Mert Ditsche

Idee und Konzept

Der fesa e.V. mit Felix Hollerbach als Projektleiter Klimaschutzpädagogik und die Solar-Bürger-Genossenschaft eG mit Burghard Flieger als Genossenschaftsexperte riefen das Projekt im vergangenen Herbst gemeinsam mit der Montessori-Schule ins Leben. Die Idee passt zum Montessori-Zentrum Angell wie die Solaranlage aufs Dach: Umwelt- und Klimaschutz sowie Energiewende gehören hier schon lange zum Schulalltag, erläutert die Projektbetreuerin Sabrina Swifka-Kovács. Über Projekte, Aktionen und Unterrichtseinheiten zu Klimawandel und Energiesparen gibt es für die Schüler viele spannende Möglichkeiten, sich mit dem Themenkomplex aktiv auseinanderzusetzen. Mit der Gründung einer Energiegenossenschaft fügen sich nun die Themen Nachhaltigkeit und modernes soziales und gemeinschaftliches Wirtschaften für die JungunternehmerInnen zusammen.

Ganz einfach ist es allerdings für Jugendliche nicht, ein handlungsfähiges Unternehmen auf die Beine zu stellen. Noch minderjährig, können sie nicht eigenverantwortlich Verträge unterzeichnen und daher kaum unternehmerisch tätig sein. Hinzu kommt, dass die GründerInnen vielleicht bald in alle Winde verstreut sein werden. Burghard Flieger entwickelte zusammen mit dem PkmG* daher das Konzept einer Kooperation zwischen Schülergenossenschaft und einer Partnergenossenschaft, hier der Solar-Bürger-Genossenschaft eG, das die Schüler von Haftungsrisiken entlastet und einen langfristigen Betrieb der Anlagen sichert. Ein Anlagenpachtvertrag überträgt der Schülergenossenschaft die Rechte zur Verwaltung, zum Betrieb und an den Erträgen der Anlage. Die Schüler sammeln Eigenkapital über Mitgliedschaften und geben der Partnergenossenschaft ein Darlehen, um die PV-Anlage zu kaufen. Die Erlöse aus der Anlage gehen an die Schüler, die daraus ihre Aufwendungen finanzieren. So sind sowohl die Partnergenossenschaft als auch die Jugendlichen rechtlich abgesichert.

Gleichzeitig liegen alle Möglichkeiten der genossenschaftlichen Organisation und die Entscheidungshoheit bei den Schülern, ebenso wie die Verantwortung für den laufenden Betrieb. Sie werden sich um das Monitoring und die Instandhaltung der PV-Anlage kümmern – selbstverständlich immer mit enger Unterstützung der Partnergenossenschaft. Die Partnergenossenschaft kann die Anlage unkompliziert übernehmen, sollte die Schülergenossenschaft einmal nicht mehr bestehen.

Über monatliche Treffen bleiben fesa und Solar-Bürger-Genossenschaft als Berater und Gremienmitglieder in der Schülergenossenschaft aktiv und können bei Problemen weiterhelfen, ebenso wie Vertreter der Elternschaft und des Kollegiums der Schule. Im Idealfall projektieren die nachfolgenden Schülergenerationen weitere Solaranlagen, so dass sich eine lebendige dauerhafte Schülergenossenschaft an der Schule etabliert.

projektteam scolargeno

Wollen Zeichen setzen: das Projektteam (vlnr: Sabrina Swifka-Kovács, Burghard Flieger, Lukas Dietsche, Nua Huber, Flóra Dreher, Leo Heinze, Anna Josefski, Tim Binder, Julius Köpfer, Alexander Komorov, Silas Erdmann, Felix Hollerbach)

Sonne sucht Dach

Nachdem die Genossenschaft nun ihre Gründungsversammlung erfolgreich abgehalten hat, ist sie als SolA(r)ngell eG i.G. (in Gründung) handlungsfähig. Viele Dächer in Freiburg sind noch ungenutzt und kommen für eine Solaranlage in Frage. Wo der Stromverbrauch vor allem tagsüber stattfindet, wie in gewerblichen und Büro-Gebäuden oder auch in kommunalen Immobilien und Landesliegenschaften, Mensen, Universitätsgebäuden und Instituten, kann eine Solaranlage besonders effektiv zur Dekarbonisierung des Stromsystems beitragen. Aber auch Lebensmittelmärkte, deren Strombedarf wegen ihrer Kühlregale im Sommer steigt, passen perfekt zum Lastgang einer Solaranlage.

Die Nutzung städtischer Dächer durch genossenschaftlich organisierte Contractoren könnte auch die Stadt Freiburg bei ihrem Decarbonisierungsvorhaben maßgeblich voranbringen. Gleichzeitig kann die Stadt hier ein partizipatives Jungunternehmen unterstützen, indem sie ihm ein Dach überlässt.

Nachahmer gesucht

Die Schüler-Genossenschaft am Montessori Zentrum Angell soll nicht alleine bleiben. Die Initiatoren wollen das Konzept nach einer Evaluation weiteren Schulen anbieten und systematisch ein Netzwerk aus Schülerenergiegenossenschaften in Südbaden aufbauen. Zu diesem Zweck wird das Konzept mit seinen Bausteinen so weiterentwickelt, dass es sich an jeder Schule mit einer Oberstufe umsetzen lässt. Ziel ist, diese Form des Lernens anhand eines konkreten gemeinschaftsorientieren Praxisprojekts zu einem überall reproduzierbaren Modellansatz auszuarbeiten. Dieser kann dann nicht nur in Deutschland, sondern in möglichst vielen europäischen Ländern für die Heranführung von Schülern an nachhaltiges Wirtschaften genutzt werden. fesa e.V. und Solar-Bürger-Genossenschaft eG haben zu diesem Zweck einen Projektantrag bei Horizonte 2020 eingereicht.

Kontakt

Wer Ideen für Dachangebote hat oder das Konzept auch für weitere Schulen nutzen möchte, kann sich an die Schülergenossenschaft über solar-angell@gmx.de oder an den fesa e.V. wenden: hollerbach@fesa.de.

Weitere Infos und Materialien gibt es bei fesa e.V.:

https://www.fesa.de/freiburg/projekte/paedagogische-projekte/scolargeno/